Gesicht, mit Schriftzügen versehen, daneben Text.

Hauptinhalt

Salafismus: was ist das genau?

In Deutschland und weltweit ist der Salafismus die aktivste und dynamischste islamistische Bewegung. Salafismus ist eine Strömung im Islamismus. Er hat Gemeinsamkeiten mit anderen islamistischen Bewegungen. Doch es gibt auch Unterschiede: in seiner Entstehungsgeschichte, in den Vorbildern, auf die sich Salafisten berufen, in ihrer Organisationsform und ihrer Vorgehensweise.


Unterschied zwischen Islamismus und Salafismus

Das wesentliche Merkmal des Salafismus: Er betrachtet allein die Handlungen und Anschauungen des Propheten Muhammad und seiner Generation sowie der beiden nachfolgenden Generationen als Vorbild für alle Zeiten. Dabei orientiert er sich heute vor allem an den strengen und kompromisslosen Lehrmeinungen des Wahhabismus. Der Salafismus ist eine Unterkategorie des Islamismus.

Auf einen Blick: ISLAMISMUS

Islamismus ist eine Form des politischen Extremismus. Er beschreibt eine politische Weltanschauung, die die Sprache der Religion nutzt, um politische Ziele zu verfolgen. Der Islamismus fordert die (teilweise oder vollständige) Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Deutschland. Dabei beruft er sich auf den Islam. Islamismus beginnt dort, wo religiöse islamische Gebote und Normen

  1. als verbindliche politische Handlungsanweisungen und
  2. mit Absolutheitsanspruch gegenüber anderen gesellschaftlichen Modellen gedeutet werden.
Was heißt Islamismus?

Kaum ein Begriff hat nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eine derartige Konjunktur erfahren wie der des Islamismus. Aber was genau versteht man unter Islamismus? Welche Gruppierungen und Strömungen gibt es? Und auf welche ideologischen (Vor-)Denker berufen sie sich? Sind alle Islamisten Gewalttäter?

Ein Video der Bundeszentrale für politische Bildungsarbeit gibt Antworten.

Screenshot aus dem Video „Was ist Salafismus?“. Grafik: Teil einer Weltkarte und Jahreszahlen.
Infos und Hintergründe zum Thema Islamismus: Hier geht’s zum Video der bpb >>

Warum ist der Salafismus verfassungsfeindlich?

Salafisten orientieren sich kompromisslos an der islamischen Frühzeit vor 1.400 Jahren. Weltliche Gesetze und die Werte der westlichen Systeme lehnen sie als unislamisch und unterlegen ab. Eine Gesellschaft mit demokratischen Werten empfinden sie als wesensfremd; sie befürworten die frühislamischen Herrschafts- und Gesellschaftsformen.
Salafistische Akteure in Deutschland werben für eine Einheit von Religion und Staat. Die islamische Rechtsordnung (Scharia) setzen sie absolut. Dies zeigt: Salafistische Auffassungen beanspruchen Geltung für alle Lebensbereiche.
Diese ideologischen Grundsätze sind nicht vereinbar mit den Prinzipien, die das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festschreibt: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit – und eine politische Ordnung, die auf der Unantastbarkeit der Menschenwürde gründet.


„Salafismus“: Woher stammt der Begriff?

Die ersten drei Generationen der Muslime, die sogenannten „rechtschaffenen Altvorderen“, lebten im 7. bis 9. Jahrhundert nach Christus. Im Arabischen werden sie „al­salaf al­salih“ genannt; oft wird auch die Kurzform „salaf“ verwendet.
Das Vorbild dieser Salaf ist die Grundlage der salafistischen Ideologie. Die frühislamische Gemeinde idealisiert sie als das Goldene Zeitalter des Islam. Salafisten fordern von ihren Anhängerinnen und Anhängern, dem Beispiel der Salaf kompromisslos zu folgen: So werde dem Islam wieder zur alten Stärke verholfen.
Die Salafisten lehnen mehrheitlich den Begriff „Salafismus“ als Fremdbezeichnung ab. Ebenso vehement wird die Bezeichnung „Wahhabiten“ zurückgewiesen, die vor allem von Muslimen als Synonym für „Salafisten“ verwendet wird. Die Salafisten nennen sich selbst lieber „Leute der Prophetentradition und der Gemeinschaft“, auf Arabisch „ahl al­sunna wal­jama’a“, oder schlicht „Muslime“. Damit erheben sie den Anspruch, die einzigen „wahren“ Vertreter des ursprünglichen Islam nach der Überlieferung des Propheten und seiner Gefährten zu sein.


Ziele der Salafisten

  • Alle Salafisten haben ein gemeinsames Ziel: die Errichtung eines politischen Systems nach den Regeln der Scharia und mit einem Kalifen als politischem und religiösem Oberhaupt.
  • Die vollständige Umgestaltung von Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach dem Vorbild der sogenannten „rechtschaffenen Altvorderen“ sehen sie als „gottgewollte“ Norm.
  • Salafisten erkennen keine Nationalstaaten an. Ausgehend von einem Kernstaat sollen die Grenzen „expandieren“ und schließlich die gesamte Umma (die gesamt-islamische Weltgemeinschaft) umfassen.
  • Muslime, die anderswo leben, wären dann verpflichtet, nach dem Vorbild des Propheten in einen islamischen Kernstaat auszuwandern (arabisch „hijra“: Auswanderung), um dort ein gottgefälliges Leben zu führen und nicht unter „Ungläubigen“ leben zu müssen.

Sind alle Salafisten gleich?

Nein. Der Salafismus ist keine einheitliche Bewegung. In Deutschland sind zwei extremistische Strömungen des Salafismus zu unterscheiden:

  • Der sogenannte politische Salafismus, der auf die Ausübung direkter Gewalt zur Erreichung seiner Ziele verzichtet.
  • Der Jihad-Salafismus, dem nicht zuletzt al-Qaida und der sogenannte „Islamische Staat“ zuzurechnen sind.

Die Übergänge zwischen beiden Strömungen sind allerdings fließend.

„Politischer Salafismus“

Politische Salafisten verbreiten ihre Ideologie durch intensive Propagandaaktivitäten (Dawa = „Missionierung“). So wollen sie die Gesellschaft in einem langfristigen Prozess nach salafistischen Normen verändern. Sie distanzieren sich zwar demonstrativ vom Terrorismus und vermeiden offene Aufrufe zur Gewalt. Doch sie schließen religiös begründete Gewalt wie z. B. Körperstrafen nicht grundsätzlich aus. In ihrer Auslegung des Islam beziehen sie sich auf Werke ganz bestimmter Rechtsgelehrter, z. B. Muhammad Ibn al-Uthaymin (1925 – 2001) und Abdalaziz Ibn Baz (1910 – 1999).

„Jihad-Salafismus“

Jihadistische Salafisten befürworten unmittelbare und sofortige Gewalt. Die meisten Muslime betrachten den Jihad als persönlichen Kampf gegen moralische Unzulänglichkeiten – den Kampf gegen ihre innere Triebseele. Jihadistische Salafisten dagegen verstehen ihn v. a. militärisch. Für sie ist es die individuelle Pflicht eines jeden Muslims, am bewaffneten Kampf gegen aus ihrer Sicht unislamische Verhältnisse teilzunehmen. Der Jihad richtet sich nicht nur gegen den Westen, sondern auch gegen Machthaber in islamischen Ländern, denen die Salafisten vorwerfen, vom Islam abgefallen und Handlanger des verhassten „Westens“ zu sein.

Situation in Deutschland

In Deutschland sind überwiegend politische Salafisten aktiv. Doch alle islamistisch-terroristischen Einzelpersonen und Netzwerkstrukturen, die bislang aufgedeckt wurden, haben sich im salafistischen Umfeld entwickelt. Der Salafismus kann daher als Nährboden für Radikalisierung und islamistischen Terrorismus bezeichnet werden.


Weltbild und Menschenbild

Dem Salafismus liegt ein intolerantes, antidemokratisches und gewaltverherrlichendes Weltbild zugrunde. Die Achtung der in der Scharia festgeschriebenen Gesetze und der nachfolgend beschriebenen Grundsätze entscheidet für Salafisten darüber, ob man nach seinem Tode ins Paradies einzieht oder in die Hölle kommt.

Das Tauhid-Konzept

Im Islam bezeichnet der Begriff „tauhid“ die Lehre von der absoluten „Einheit und Einzigartigkeit Gottes“ (Monotheismus). Salafisten leiten aus dem Tauhid-­Prinzip jedoch ab, dass Allah der alleinige Herrscher und die Scharia das einzig erlaubte Gesetz ist. Folglich lehnen Salafisten das Volk als Träger der Staatsgewalt und von Menschen gemachte Gesetze als „unislamisch“ ab. Der Tauhid wird durch den nach oben weisenden Zeigefinger symbolisiert.

Feindbilder

Salafisten teilen die Welt in zwei gegensätzliche Lager – hier die Salafisten, dort die Ungläubigen, die sie „Kuffar“ nennen. Der Salafismus richtet sich

  • gegen nicht­-salafistische Muslime,
  • gegen alle anderen Glaubensvorstellungen.
Strenge Auslegung religiöser Texte

Salafisten fordern die Rückkehr zu den heiligen Texten (Koran und Sunna) als einzige Quelle der Gesetzgebung. Jeder Muslim soll die religiösen Texte möglichst wörtlich verstehen. Die Lehrmeinungen der traditionellen islamischen Rechtsschulen, der geschichtliche Zusammenhang und die gesellschaftliche Weiterentwicklung des Islam im Laufe der Jahrhunderte werden völlig ausgeblendet.

Geöffnetes Buch, darüber nach oben geöffnete Hände.
Salafisten sehen Koran und Sunna als einzige Quelle der Gesetzgebung.

Der Salafismus richtet sich gegen nicht-salafistische Muslime und gegen alle anderen Glaubensvorstellungen.

Absolutheitsanspruch

Salafisten verstehen sich als Elite bzw. als auserwählte Vorkämpfer. Sie wollen alle anderen islamischen Glaubensrichtungen vereinigen bzw. sie durch die einzig „wahre“ Glaubenslehre ersetzen. Dadurch erheben sie Anspruch auf die Deutungshoheit gegenüber allen anderen muslimischen Ausrichtungen.

Das Takfir-Konzept

Takfir spielt eine besondere Rolle im jihadistischen Salafismus. Der Begriff bedeutet, dass jemand zum Ungläubigen erklärt oder wegen Unglaubens angeklagt wird. Salafisten erklären ihre Gegner in anderen islamischen Glaubensrichtungen zu „Ungläubigen“ und „Feinden des Islam“ und rechtfertigen so Gewalt auch gegen Muslime.

Der militärische Jihad als „sechste Glaubenspflicht“

Vor dem Hintergrund des Afghanistankriegs (1979 – 1989) entwickelte sich die Idee eines globalen Jihad. Starken Einfluss hatten Jihad­-Ideologen wie Abdullah Azzam (1941 – 1989). Jihadistisch-­salafistische Ideologen argumentieren, dass es neben den klassischen islamischen Glaubenssäulen

  • Glaubensbekenntnis
  • Gebet
  • Fasten
  • Almosen/Armensteuer
  • Pilgerfahrt nach Mekka

eine in Vergessenheit geratene „sechste Glaubenspflicht“ gebe, nämlich den militanten bzw. militärischen Jihad. Jeder Muslim sei verpflichtet, seine unterdrückten Glaubensbrüder – ob in Afghanistan, Tschetschenien, Somalia oder Syrien – militärisch (oder zumindest finanziell, logistisch oder propagandistisch) zu unterstützen.

Buchseite mit arabischen Schriftzeichen.
Der Koran wird im Salafismus wortwörtlich verstanden.
Märtyrerkult

Salafisten entwerfen drastische Bilder vom „Höllenfeuer“, vor dem sie die Menschen retten wollen. In zahllosen Vorträgen und Predigten, die im Internet verbreitet werden, warnen salafistische Prediger ihre Zuhörer vor den Qualen der Hölle in möglichst erschreckenden Farben.
Diese Drohpädagogik soll v. a. junge Menschen auf den Salafismus einschwören. Sie soll den Eindruck vermitteln, dass vor den beschriebenen Höllenqualen nur blinder Gehorsam und ein Leben nach den Gesetzen der Scharia retten kann. Das kritische Hinterfragen wird als Abfall vom Glauben (Apostasie) gewertet.
Die Verlockungen des Paradieses werden dagegen mit bunten Bildern ausgeschmückt. Vor allem in jihadistischen Kreisen ist die Vorstellung weit verbreitet, dass der Tod als „Märtyrer“ der direkte Weg ins Paradies und gleichzeitig eine Befreiung von allen vorherigen Sünden ist. Jeder im Jihad gefallene Kämpfer wird als Märtyrer verherrlicht.

„Höllenfeuer“ oder Paradies: Drohbilder sollen vor allem junge Menschen beeindrucken.

„Die grünen Vögel“ …

… sind ein Sinnbild für Märtyrer, deren Seelen im Paradies als grüne Vögel umherfliegen dürfen.


Wie gefährlich ist der Salafismus?

Dem jihadistischen Salafismus ist nur ein kleiner Prozentsatz der Salafisten zuzurechnen; die Mehrheit der Salafisten ist dem politischen Spektrum zuzuordnen.

Doch der politische Salafismus wirkt radikalisierend. Das bedeutet: Er bewegt seine Anhängerinnen und Anhänger in extreme Positionen. Damit bildet er den Nährboden auch für terroristische Aktionen. Beinahe alle islamistisch-terroristischen Personen und Strukturen, die bislang in Deutschland aufgedeckt wurden, waren salafistisch geprägt bzw. haben sich im salafistischen Umfeld entwickelt.

Für Personen aus salafistischen Kreisen sind

  • der Aufenthalt in terroristischen Ausbildungslagern und
  • die Teilnahme an Kämpfen in Gebieten des internationalen Jihad

nach wie vor von besonderer Bedeutung, wenngleich die Ausreisedynamik mit der territorialen Niederlage des IS in Syrien stark nachgelassen hat. Die ausgereisten Personen waren häufig sehr jung und hatten zum Teil einen sehr kurzen Radikalisierungsprozess hinter sich – in Einzelfällen dauerte dieser nur wenige Wochen und ist für das persönliche Umfeld nicht immer sichtbar.

Ein besonderes Sicherheitsrisiko sind Männer und Frauen, die

  • aus einem terroristischen Ausbildungslager bzw.
  • aus dem paramilitärischen Kampf

nach Deutschland zurückkehren. Rückkehrerinnen und Rückkehrer aus den Jihad-Gebieten haben in der islamistischen Szene ein hohes Ansehen. Sie können eine weitere Radikalisierung von Islamisten fördern, die bislang nicht gewaltorientiert waren. Vor allem auf junge Menschen können sie eine starke Anziehungskraft ausüben.


Salafismus: Broschüre bietet Infos kompakt

Die Broschüre „Salafismus – Prävention durch Information – Fragen und Antworten“ soll zur Aufklärung über den Salafismus beitragen. Sie informiert u. a. über die Ziele des Salafismus, seine verschiedenen Formen und die Aktivitäten von Salafisten in Deutschland und Bayern. Außerdem geht die Broschüre auf die Radikalisierung junger Salafisten ein. Wichtig für Eltern, Lehr- und andere Fachkräfte: Wie erkennt man eine beginnende Radikalisierung? Wie sollte man reagieren – und wo findet man Beratung und Hilfe? Außerdem stellt die Broschüre das Bayerische Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus vor. Herausgegeben wurde die Broschüre vom Bayerischen Innenministerium.

Teilen auf:

Teilen X Mailen