Junger Mann drückt seine Hände aufs Gesicht, verzweifelter Ausdruck.

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Radikalisierung rechtzeitig erkennen

Radikalisierung ist schwer zu erkennen, weil es sich meist um Entwicklungen handelt, die in der Psyche eines Menschen ablaufen. Klare und eindeutig sichtbare Zeichen für eine Radikalisierung gibt es deshalb nicht. Radikale Tendenzen können aber durchaus für das Umfeld bemerkbar werden – und zwar nicht nur durch Äußerlichkeiten wie lange Bärte oder einen bestimmten Kleidungsstil.

Oft fällt Radikalisierung dadurch auf, dass Betroffene versuchen, ihr persönliches Umfeld zu beeinflussen. Dabei werben sie oft aggressiv für ihre Überzeugung (ideologische Agitation) und lassen keine andere Meinung gelten. Weitere Indizien können sein: eine Wesensveränderung und/oder äußerlich bemerkbare Hinweise. Auch das Verwenden extremistischer Symbole kann ein Anzeichen für eine kritische Entwicklung bzw. Radikalisierung sein – ebenso wie das Bekenntnis zu extremistischen oder gar terroristischen Gruppen.

Grundsätzlich lässt sich einer Radikalisierung am ehesten im frühen Stadium des Prozesses entgegenwirken, wenn extremistische Weltbilder und ideologische Argumentationsmuster noch nicht verfestigt sind.

Salafistischer Prediger hält einen Vortrag.
Salafistische Prediger nutzen u. a. Moscheen als Treffpunkt für ihre Vorträge. Aggressives Missionieren kann ein Zeichen für eine Radikalisierung sein.

Mögliche Anzeichen einer Radikalisierung:

  • Beeinflussung des Umfelds (oft aggressiv)
  • Wesens- und Verhaltensveränderung
  • Zugehörigkeit zu extremistischen Gruppen
  • Verwenden extremistischer Symbole

Merkmale einer Radikalisierung

Wie schon erwähnt: Es gibt nicht den einen Hinweis, der für sich genommen eindeutig auf eine Radikalisierung hindeutet. Radikalisierung ist vielmehr ein Zusammenwirken mehrerer Merkmale.

Deshalb ist die folgende Aufzählung nicht abgeschlossen. Menschen, die Merkmale einer Radikalisierung aufweisen, lehnen das Leben vor dieser Entwicklung ab und bezeichnen es nun als „unislamisch“.

  • Er oder sie zieht sich zurück, grenzt sich von Andersdenkenden ab und bezeichnet sie abwertend als „Ungläubige“ (Kuffar).
     
  • Ein neues soziales Umfeld mit islamistischen Gleichgesinnten wird aufgebaut.
     
  • Beschäftigung mit islamistischen Inhalten: Er oder sie
    • hört gewaltverherrlichende islamistische Naschids,
    • bewegt sich auf salafistischen Internetseiten,
    • konsumiert islamistisches Propaganda-Material,
    • geht zu Veranstaltungen salafistischer Prediger,
    • besucht regelmäßig salafistische Moscheen oder Treffpunkte.
       
  • (Plötzliche) Veränderung des äußeren Erscheinungsbilds: z. B.
    • Wechsel des Kleidungsstils zu scheinbar traditioneller Kleidung
    • Zulegen eines speziellen „Salafistenbarts“, also eines langen Vollbarts bei rasierter Oberlippe.
       
  • Er oder sie lässt nur die eigenen religiös-politischen Ansichten gelten und zeigt keinerlei Bereitschaft, sich auf eine andere Position einzulassen:
    • Behauptung, der Islam sei die einzig „wahre“, legitime und vor allem in jeder Hinsicht überlegene Religion
    • Aggressive und kompromisslose Forderungen nach einer strikten Befolgung und Umsetzung islamischer Werte und Normen
    • Strikte Ablehnung von Vorstellungen, Normen und Werten, die denen der Salafisten widersprechen
       
  • Beharrliche Bemühungen, das „unislamische“ Umfeld zu einem Übertritt zum „wahren“ Islam zu bewegen (aggressives Missionieren)
     
  • Zu Juden, Christen, Mitgliedern anderer Religionsgemeinschaften sowie nicht-salafistischen Muslimen (insbesondere Schiiten) äußert er oder sie sich abschätzig und herabwürdigend und begründet dies mit religiösen Überzeugungen.
     
  • Das Denken ist zunehmend auf das Jenseits fixiert. Das eigene, irdische Leben verliert man aus den Augen (Verherrlichung eines Lebens im Jenseits bzw. im Paradies).
     
  • Propagierung eines „Kalifats“ oder Ähnliches und Forderungen nach Einführung der Scharia als einzig legitimes Gesetz 

  • Strikte Ablehnung der Demokratie 

  • Sympathiebekundung bei islamistischen Anschlägen
Salafistische Symbole: Arabische Schriftzeichen, darauf das Wort „Verboten!“.
Symbole der in Deutschland verbotenen Terrororganisation „Islamischer Staat“: Das zur Verbreitung bestimmte öffentliche Zeigen von Kennzeichen verbotener Vereinigungen ist verboten und wird strafrechtlich verfolgt.
Symbol: Arabische Schriftzeichen, darauf das Wort „Verboten!“.
Die in Deutschland verbotene jihadistische Organisation „Millatu Ibrahim“ rief Muslime in Deutschland zum aktiven Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung auf. Das zur Verbreitung bestimmte öffentliche Zeigen von Kennzeichen verbotener Vereinigungen ist verboten und wird strafrechtlich verfolgt.
Salafistisches Symbol: Schriftzug „Tauhid“, darauf das Wort „Verboten!“.
Das in Deutschland verbotene jihadistische Netzwerk „Tauhid Germany“ verbreitete salafistische Propaganda im Internet und rief zum Hass gegen „Ungläubige“ auf. Das zur Verbreitung bestimmte öffentliche Zeigen von Kennzeichen verbotener Vereinigungen ist verboten und wird strafrechtlich verfolgt.
Geöffnetes Buch auf einem Koranständer.
Salafisten deuten den Koran für ihre Zwecke und sprechen auch nicht-salafistischen Muslimen den „wahren“ Glauben ab.

Ein Übertritt zum Islam allein ist kein Anzeichen für eine Radikalisierung. Lesen Sie mehr dazu in unseren FAQs.


Was kann man gegen eine erkannte Radikalisierung tun?

Grundsätzlich gilt: Je früher eine Radikalisierung erkannt wird, desto höher sind die Erfolgsaussichten einer Deradikalisierung. Besonders wichtig ist es, den Betroffenen oder die Betroffene nicht zu isolieren. Bleiben Sie mit ihm im Gespräch und reden Sie über seine Ansichten, Einstellungen und Bedürfnisse. Das heißt konkret: Lassen Sie den Gesprächsfaden nicht abreißen! Scheuen Sie sich auch nicht, Fachstellen wie die Folgenden zu kontaktieren:

Radikalisierung erkannt?

Sie stellen eine radikale Entwicklung bei einem Menschen aus Ihrem Umfeld fest?

Wichtige Schritte:

  • Sprechen Sie mit der Person, bleiben Sie in Kontakt.
  • Informieren Sie Fachstellen!  

Tipps für Eltern

  • Hinterfragen statt belehren: Bei Jugendlichen hilft es oft, zu hinterfragen statt zu belehren. So können Sie auf Widersprüche in der Argumentation hinweisen.
  • Widersprechen: Reagieren Sie auf Äußerungen, in denen es um die Abwertung sogenannter „Ungläubiger“ geht. Lassen Sie diese nicht unwidersprochen im Raum stehen.
  • Grenzen setzen: Zeigen Sie, dass Sie Ihr Kind als Person respektieren und unterstützen, aber keine islamistische Einstellung tolerieren.
  • Hilfe anbieten: Aber unterlassen Sie Vorwürfe. Bieten Sie immer wieder Unterstützung an. Vermeiden Sie es – bei aller nötigen Konsequenz – den Kontakt abzubrechen.
  • Gemeinsam wirken: Arbeiten Sie eng mit den Lehrkräften Ihres Kindes zusammen.

Tipps für Lehrer

  • Fortbildung: Sorgen Sie als Schulleiterin und Schulleiter für die Fortbildung Ihrer Lehrkräfte im Themenbereich Islamismus/Salafismus.
  • Eigeninitiative: Informieren Sie sich als Lehrkraft über Salafismus.
  • Aufklärung: Klären Sie Ihre Schülerinnen und Schüler über das Thema Salafismus auf.
  • Motivation: Ermutigen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler, salafistisches Propagandamaterial an eine Lehrkraft ihres Vertrauens oder an die Schulleitung zu übergeben und auch Versuche der Kontaktaufnahme durch Salafisten mitzuteilen.
  • Aktiver Austausch: Bemühen Sie sich um eine enge Zusammenarbeit und den Austausch von Informationen mit Erziehungsberechtigten, Elternbeirat, Schülervertretung, Schulamt, Polizei, Jugendamt etc.
  • Polizei verständigen: Informieren Sie die Polizei und erstatten Sie ggf. Anzeige, wenn Sie verdächtiges Material finden.

Beratungsstellen

Scheuen Sie sich nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen!
Es gibt Beratungsstellen, bei denen man sich auch anonym beraten lassen kann.
 

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